Chancen der Digitalisierung nutzen

Durch die Digitalisierung sind fast alle Branchen mehr oder weniger stark im Umbruch. Gerade viele Mittelständler haben die Chancen der Digitalisierung in der Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle bislang zu wenig berücksichtigt. Dabei ist Digitalisierung nicht gleich Digitalisierung. Ansatzpunkte zur Digitalisierung bieten sich an drei Stellen1:

  • Umsatzgenerierung: Anpassung des Geschäftsmodells, sodass für die Kunden ein Mehrwert entsteht
  • Automatisierung und Supply Chain: Optimierung der internen Prozesse und Beziehungen mit Zulieferern
  • Digitales Arbeiten: Anpassungen der Arbeitswelt

Alle drei Aspekte spielen eine wichtige Rolle. Im deutschen Mittelstand gab es in den letzten Jahren, insbesondere bei der Automatisierung, in der Supply Chain und als Begleiterscheinung der Corona-Pandemie, auch beim digitalen Arbeiten Fortschritte. Besonders kritisch sind jedoch Aspekte des Kern-Geschäftsmodells – also solche der Umsatzgenerierung. Hier besteht die größte Gefahr, durch digital optimierte Konkurrenzprodukte aus dem Markt gedrängt zu werden. Dieser Artikel ist daher auf Elemente einer guten Digital-Strategie für das Kern-Geschäftsmodell ausgerichtet.

1. Ausgangspunkt ist die Gesamtstrategie

Die Digitalisierung darf nicht losgelöst von der langfristigen Unternehmensstrategie entstehen. Ganz im Gegenteil: Die Digitalstrategie benötigt eine solide Basis. Am Anfang steht daher eine fundierte und selbstkritische Analyse der Ausgangslage, die sowohl externe als auch interne Faktoren in einer SWOT-Matrix mit Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken zusammenführt. Außerdem gilt es, ein Purpose-basiertes Zielbild zu formulieren und zu kommunizieren, das Mitarbeitende inspiriert und aus dem sich anspruchsvolle Ziele ableiten lassen. Nur mit einer klaren Grundausrichtung des Unternehmens können Fragen nach dem „Warum?“, „Wie?“ und „Für wen?“ befriedigend beantwortet werden.

2. Kundennutzen im Zentrum

„Know your customer!“ Ja, es ist wichtig den Kunden zu kennen. Allerdings kommt es nicht unbedingt auf die äußeren oder demographischen Charakteristika an. Viel wichtiger ist das Verständnis des ‚Job to be done‘2. Um das eigene Produkt erfolgreich zu innovieren, muss zunächst klar sein, welche Aufgabe es für den Kunden erfüllen soll. Erfolgreiche Innovationen helfen Kunden dabei, Probleme zu lösen. Durch Beobachtungen und/oder Interviews der Kunden gilt es herauszufinden, zu welchem Zweck das bisherige Produkt genau eingesetzt wird bzw. welche Probleme bislang ungelöst bleiben. Erst danach kann der Innovationsprozess zur Gestaltung des Produktes zielgerichtet ablaufen (für Beispiele vgl. Link).

3. Kollaborativ erarbeitet

Nutzen Sie das Wissen und die Talente in Ihrem Unternehmen und dem erweiterten Netzwerk. Externe einzubinden, hilft dabei, sich Inspiration aus einem anderen Blickwinkel, einer anderen Branche zu holen. Häufig gibt es in verwandten Branchen bereits übertragbare, erfolgreiche Konzepte. So hat beispielsweise der Premium-Bettenhersteller Elite, ein 125 Jahre altes Schweizer Traditionsunternehmen, ein vor allem in der Automobilbranche etabliertes Geschäftsmodell auf seine Industrie angepasst. Mit ‚Smart Lease‘ können Hotels ihre Fixkosten und Investitionen reduzieren und stattdessen nach tatsächliche Betten-Nutzung Entgelt entrichten3. Bei solchen Branchen-Transfers an die eigenen Bedürfnisse sind Experten aus nicht konkurrierenden Bereichen häufig erstaunlich hilfsbereit.

Für eine erfolgreiche Digital-Strategie ist aber das Einbinden aller relevanten internen Stakeholder mindestens genauso entscheidend. Eine frühe Beteiligung der Mitarbeitenden stellt sicher, dass sie sich mitgenommen fühlen. Sie können den Ausgang des Prozesses mit beeinflussen und tragen die sich daraus ergebenen Veränderungen später aktiver mit. So können Sie internen Widerstand schon früh vermeiden oder zumindest vermindern. Außerdem profitieren Sie von den Erfahrungen und direkten Kundeninteraktionen der Mitarbeitenden.

4. Mutig sein, neue Wege zu gehen

Die letzten Jahrzehnte waren in vielen traditionellen Branchen geprägt vom starken Wachstum der Globalisierung. Weltmarktführer konnten in ihren Nischen mit inkrementellen Produkt-Verbesserungen ihre Positionen verteidigen oder gar ausbauen. Durch die Digitalisierung (und den notwendigen Umbau zu einer CO2-neutralen Wirtschaft) wird es mit einem ‚weiter so‘ nicht mehr gehen. Die Entwicklung einer Digital-Strategie sollte daher Anlass sein, Mut zu machen und neue Wege zu gehen. Selbstverständlich dürfen und sollen auch die bisherigen Produkte und Dienstleistungen inkrementell durch digitale Elemente verbessert werden. Allerdings bietet sich nun die Chance für mehr: basierend auf den eigenen Kompetenzen neue Kundengruppen, andere Anwendungsfelder und neue Branchen zu erschließen. So hat beispielsweise der 1906 gegründete Stahl- und Metallhändler Klöckner & Co SE neue Wege bestritten, als er nicht nur einen eigenen Online-Shop etablierte, sondern diesen im Sinne eines Marktplatzes auch für andere Unternehmen öffnete4.

5. Lean-Startup-Methoden nutzen

Bei der Umsetzung der Digital-Strategie muss und sollte man nicht gleich „die gesamte Firma aufs Spiel setzen“. Auch etablierte Firmen können durch Lean-Startup-Methoden5 mit überschaubarem Aufwand neue Geschäftsmodelle testen. Die klassische Wasserfallmethode in der Produktentwicklung birgt große Risiken, dass das Ergebnis spät kommt und am Kunden vorbeientwickelt wurde. Noch immer verläuft die Produktentwicklung nach dem altbewährten Muster: Zu Beginn steht ein Anforderungskatalog, das Produkt wird über Monate oder auch Jahre entwickelt, um es dann perfektioniert und mit hohem Aufwand auf den Markt zu bringen. Erst dann wird klar, ob das Produkt vom Kunden überhaupt angenommen wird.

Es geht aber auch anders. Durch ein agiles, iteratives Vorgehen kann die Geschwindigkeit hin zum kundenorientierten Produkt deutlich steigen bei gleichzeitiger Reduktion des Risikos eines späten, teuren Scheiterns. Der Lean-Startup-Ansatz erzwingt ein frühes Scheitern und/oder Anpassen. Durch die Entwicklung eines Minimum Viable Products (MVP; minimal brauchbares Produkt), das ganz früh an Kunden getestet wird, können die zugrundeliegenden Annahmen direkt mit Kundenfeedback abgeglichen werden. So können die weiteren Schritte hin zum marktreifen Produkt richtig priorisiert werden – oder es muss die Idee verworfen werden. Mehr zu diesen Methoden finden Sie hier.

6. Rückspiegelung auf Gesamtstrategie, Zielsystem und Organisation

Eine alleinstehende Digital-Strategie verwandelt noch nicht das ganze Unternehmen. Sie muss in die Gesamtstrategie und die dort angelegten Mechanismen passen. Konkret heißt das, dass für die Umsetzung der Digital-Strategie ausreichend Ressourcen bereitgestellt werden und sie im Zielsystem (bspw. in die OKRs) abgebildet wird. Außerdem muss sie sich in der Organisation wiederfinden: Verantwortlichkeiten müssen geklärt werden und ggf. die Struktur angepasst werden. Je nach Umfang kann es zunächst ausreichen kleine Teams zu bilden – oder es ist die Gründung eigener Einheiten notwendig, um den notwendigen Fokus und richtige Dynamik zu ermöglichen.

Mit der richtigen Digital-Strategie nutzen Sie sich ergebenden Chancen zielgerichtet. Erfahren Sie mehr zu DISCUS Strategy und wie wir Unternehmen mit der DISCUS Methode bei Strategie- und Digitalisierungs-Fragen unterstützen.

[1] Angelehnt an Analysen des McKinsey Global Institutes (2019)

[2] Christensen, Clayton M. et al. (2016): Know Your Customers‘ „Jobs to be Done“, Harvard Business Review, https://hbr.org/2016/09/know-your-customers-jobs-to-be-done (abgerufen am 9.12.2021)

[3] https://www.elitebeds.ch/de/hospitality-collection/smart-lease (abgerufen am 10.12.2021)

[4] https://www.kloeckner-i.com/ (abgerufen am 10.12.2021)

[5] Ries, Eric (2017): The Lean Startup, Crown Business / Penguin Random House