Die Geschäfte laufen (noch) gut

Die Zeichen für die Weltwirtschaft stehen seit der Wiedereröffnung nach der Pandemie auf Wachstum. Der IWF prognostiziert ein BIP-Plus von fast 6 bzw. 5 Prozent für die Jahre 2021 bzw. 20221. Die Nachfrage nach Gütern ist vielerorts so stark gestiegen, dass es zu Staus von Containerschiffen vor den wichtigen Häfen in China und den USA kommt2. Und auch in Deutschland ist die Stimmung insgesamt gut: Das Bauhauptgewerbe und der Dienstleistungssektor schätzen das Geschäftsklima positiv ein3, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) berichtet von wachsenden Auftragsbüchern4 und auch die Nachfrage nach PkW hat wieder deutlich angezogen – auch wenn sie aufgrund des Chip-Mangels nicht voll befriedigt werden kann. Der Blick auf die für Deutschland besonders wichtigen Mittelständler zeigt, dass sie die Pandemie ebenfalls vielfach gut überstanden haben: Der KfW-ifo-Mittelstandsbarometer zeigt klar in Richtung Erholung5.

Gute Auftragslage kann trügerisch wirken – Anpassungen notwendig

Die aktuell gute Nachfrage darf jedoch nicht zum dogmatischen Festhalten an aktuellen Geschäftsmodellen führen. Der Blick zurück zeigt, dass Wachsamkeit gefragt ist. Beispiele verdeutlichen eindrücklich: Die Transformation kompletter Branchen – insbesondere durch die Digitalisierung – bringt radikale Neuordnungen. Und nur selten geben die ehemaligen Platzhirsche dabei eine gute Rolle ab. Auch der deutsche Mittelstand mit seinen ‚Hidden Champions‘ ist von dem Wandel nicht ausgenommen.

  • Beispiel Sportgeräte: Die deutsche Traditionsmarke Kettler, einst Pionier der Hometrainer, musste 2019 alle Werke schließen. Der Grund lag allerdings nicht in der mangelnden Nachfrage nach Fitness-Angeboten. Das Gegenbeispiel Peloton Interactive demonstriert fast zeitgleich eindrücklich, wie die Möglichkeiten der Digitalisierung in ein erfolgreiches Geschäftsmodell einfließen können. Neben dem reinen Sportgerät bietet Peloton über ein Abo-Modell Kurse an und ermöglicht die Vernetzung der Kunden. Die Folge: In der Pandemie kann sich Peloton Interactive kaum vor Bestellungen retten6.
  • Beispiel Anzeigenmarkt: Im Geschäftsmodell der Zeitungsverlage spielten Anzeigen- und Beilagenumsätze lange eine entscheidende Rolle. Doch diese sind in Deutschland in den 10 Jahren vor der Pandemie bereits um 44% eingebrochen7. Die wichtigen Umsatzbringer im Stellen- und Kleinanzeigen-Markt sind auf Online-Plattformen abgewandert. Es gibt aus Sicht der Zeitungsverlage zwar positive Beispiele, wie den wissenschaftlichen Fach-Stellenmarkt academics der ZEIT. In der Liste der wichtigsten Online-Jobbörsen insgesamt spielen sie jedoch keine signifikante Rolle8. Der Markt wird von neuen Playern beherrscht: von reinen Job-Börsen wie Monster und StepStone oder Karriere-Plattformen wie LinkedIn.
  • Beispiel Versandhandel: Von den drei großen deutschen Versandhäusern Neckarmann, Quelle und Otto ist nur das Letztgenannte übrig geblieben. Amazon, Zalando & Co. haben das Geschäftsmodell weitgehend überflüssig gemacht. Dabei hatten die Versandhändler mit treuen Kunden, breitem Sortiment und eingespielter Logistik eigentlich gute Startvoraussetzungen.

Weitere Transformation durch Digitalisierung, Klimaschutz und Gesellschaftliche Verantwortung steht bevor

Wir sehen derzeit drei Trends, die branchenübergreifend für KMU noch an Bedeutung gewinnen werden: Digitalisierung, Klimaschutz und Gesellschaftliche Verantwortung.

  • Digitalisierung: Die praktische Anwendung digitaler Möglichkeiten wird weitere Bereiche betreffen. Führungskräfte aus dem Bereich Digitalisierung9 erwarten Einfluss auf ihr Geschäftsmodell, vor allem durch Big Data / Smart Data und Plattformökonomie / Aufbau digitaler Plattformen. Aber auch das Internet of Things (IoT), Künstliche Intelligenz (KI), Sprachsteuerung und Virtual Reality werden eine wichtige Rolle spielen. Diese und weitere Technologien erlauben signifikante Verbesserungen der Geschäftsmodelle, beispielsweise in der Kundeninteraktion (D2C), aber auch innerhalb der Supply Chain. Lesen Sie hierzu auch unseren Artikel „Elemente einer guten Digitalstrategie“.
  • Klimaschutz: Der UN Generalsekretär Antonio Guterres konstatiert „Unser Planet ist kaputt!“10. Mit dem Pariser Abkommen 2015 bekennt sich die Weltgemeinschaft zum menschengemachten Klimawandel und hat mittlerweile mit dem Europäischen Green Deal wichtige Weichen für eine Anpassung der Wirtschaft gestellt. Die Auswirkungen einer Netto-Treibhausgas-Wirtschaft bis 205011 auf aktuelle Geschäftsmodelle sind jedoch enorm und in vielen Branchen noch nicht voll greifbar. Allein im Verkehrssektor sollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 90% sinken12, der Anteil erneuerbarer Energien im Energiemix bis 2030 auf 40% ansteigen13. Die geplante Umstellung auf Elektro-Fahrzeuge wird für viele deutsche Zulieferbetriebe zu einem Wegbrechen wichtiger Geschäftsgrundlagen führen.
  • Gesellschaftliche Verantwortung: Die Verantwortung von Unternehmen geht über den Klimaschutz hinaus. Für börsennotierte Unternehmen werden ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) immer wichtiger. In einer Befragung von BNP Paribas Asset Management gaben 97% der Befragten institutionellen Anleger und Finanz-Vermittler an, ESG aktuell bereits zum Teil in ihren Portfolios zu berücksichtigen oder dies zu planen14. Doch es geht um mehr als um Shareholder. Für Unternehmen geht es darum, den eigenen Zweck, das Handeln und dessen Auswirkungen zu hinterfragen. Nicht ohne Grund definieren und kommunizieren immer mehr Betriebe einen Purpose. Dahinter steckt bei konsequenter Anwendung mehr als ein schicker Spruch fürs Marketing. Der Sinn des Handelns ist zu hinterfragen und das Geschäftsmodell bei Bedarf anzupassen. Dramatisch zeigt sich derzeit in China was passieren kann, wenn Unternehmen die gesellschaftliche Legitimation verlieren. Die Maßnahmen der chinesischen Regierung, insbesondere gegen die Tech-Konzerne, könnten bis zu 2 Billionen USD an Wert vernichtet haben15. Der Grund für die Strafaktionen in China ist nicht allein die fehlende Gemeinwohl-Ausrichtung – aber eben auch.

Aktive Strategiegestaltung für KMU zur klaren Positionierung

Gerade der deutsche Mittelstand ist in vielen Fällen erfolgsverwöhnt. Doch die aufgezeigten Trends werden viele Unternehmen früher oder später betreffen. Auch derzeit noch funktionierende Geschäftsmodelle gehören daher auf den Prüfstand. Falls noch nicht geschehen, gilt es einen inspirierenden Purpose zu definieren. Eine ehrliche Analyse der Ausgangssituation und ein Blick in andere Branchen zur Inspiration bietet die Grundlage für die anstehenden Anpassungen. Mit Tools aus dem Start-up Methodenkoffer lassen sich diese zunächst im kleinen Rahmen testen – und bei Erfolg auf das gesamte Unternehmen anwenden.

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[1] https://www.imf.org/en/Publications/WEO/Issues/2021/10/12/world-economic-outlook-october-2021 (abgerufen am 13.10.2021)

[2] https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/medieninformationen/2021/kiel-trade-indicator-092021-globaler-handel-stagniert-aufgrund-anhaltender-staus-vor-containerhaefen/ (abgerufen am 13.10.2021)

[3] https://www.ifo.de/node/65288 (abgerufen am 13.10.2021)

[4] https://www.vdma.org/viewer/-/v2article/render/33351246 (abgerufen am 13.10.2021)

[5] https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-KfW-ifo-Mittelstandsbarometer/2021/KfW-ifo-Mittelstandsbarometer_2021-05.pdf (abgerufen am 13.10.2021)

[6] Beispiel aus Depiereux, P. (2020) „Werdet Weltmutführer“

[7] Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger https://www.bdzv.de/fileadmin/content/7_Alle_Themen/Marktdaten/Branchenbeitrag_2021/BZDV_Branchenbeitrag_v18.pdf (abgerufen am 2.12.2021) / Statista

[8] https://intelligence-group.nl/ (abgerufen am 2.12.2021)

[9] Etventure (2019): Umfrage unter mit dem Thema Digitalisierung befassten Führungskräften aus deutschen Großunternehmen. https://www.etventure.de/pressemeldungen/etventure-studie-deutschen-grossunternehmen-fehlt-das-vertrauen-in-die-eigenen-mitarbeiter-fuer-die-digitale-transformation-kluft-im-markt-entsteht/ (abgerufen am 2.12.2021)

[10] https://www.tagesschau.de/ausland/un-klima-guterres-101.html (abgerufen am 14.10.2021)

[11] Vgl. https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de (abgerufen am 14.10.2021)

[12] https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/transport-and-green-deal_de (abgerufen am 14.10.2021)

[13] https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal/delivering-european-green-deal_de (abgerufen am 14.10.2021)

[14] BNP Paribas Asset Management Studie, https://www.bnpparibas-am.de (abgerufen am 14.10.2021)

[15] The Economist, https://www.economist.com/leaders/2021/10/02/chinas-new-reality-is-rife-with-danger (abgerufen am 14.10.2021)